Auch kirchliche Einrichtungen und einige der Verantwortlichen verfolgten die nationalsozialistischen Ziele. 34 von 64 der kirchlichen Organisation Lutherstiftbrüder gehörten der damaligen SA an. Das zeigt eine Tabelle zur Zugehörigkeit der Lutherstiftbrüder zu NS-Organisationen vom August 1933.
Rotenburger Pastoren und Diakonissen waren in der Regel nicht in der NSDAP. Allerdings gehörten etliche der leitenden Mitarbeiter der Partei an.
Entnazifizierung bedeutet: Ab 1945 war es das politische Ziel die deutsche und österreichische Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie, Justiz und Politik von allen Einflüssen des Nationalsozialismus zu befreien. Die Auflösung der NSDAP als nationalsozialistische Partei war eines der wichtigsten Ziele.
Im Rahmen der Entnazifizierung gaben einige der Ärzte, der leitende Pfleger der Männerabteilung, der Rechnungsführer und der Büroinspektor an, der NSDAP oder ihren Gliederungen angehört zu haben. Der landwirtschaftliche Direktor der Rotenburger Anstalten fungierte lange als Kreisbauernführer. (RAW VA 665)
aus Psalm 36,8. Von Pastor Buhrfeind wurde dieses Zitat 1934 und 1938 jeweils den Ausführungen der Jahresberichte vorangestellt. Der ganze Vers lautet: „Wie teuer ist deine Güte, Gott, daß Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben!“
Pastor Unger 1948: „Es waren mir damals als Tötungsanstalten lediglich Sonnenstein bei Pirna und Grafeneck in Württemberg bekannt. Während die staatliche Anstalt Weilmünster für uns eine neutrale Anstalt erschien. […] Außerdem war eine Handhabe, die Verlegungen zu verweigern nicht gegeben.[…] daß es sich dabei um eine andere Art von Transporten handelte, ging auch daraus hervor, daß uns bei diesen Verlegungen gestattet wurde, die Angehörigen vorher zu benachrichtigen. Wir haben bei den ersten Transporten nach Weilmünster die Angehörigen jedenfalls unmittelbar nach dem Abtransport benachrichtigt.“ […]
„Im letzten Jahr kehrte ein Teil der Kranken, die 1941 wegen der Belegung unserer Anstalt durch ein Reservelazarett nach Bethel, Ilten und Kaufbeuren verlegt werden mussten, wieder zu uns zurück.“
Pastor Wilhelm Unger, Bericht aus der Arbeit der Anstalten der Inneren Mission in Rotenburg (Hann.), 1948. Die Aussage wirkt verharmlosend, da ein sehr hoher Anteil der deportierten Patienten nicht überlebte. (Slg. Klaus Brünjes)
Tatsächlich gingen bis zum 1. April 1942 zu den 140 nach Weilmünster verlegten Patientinnen und Patienten 77 Todesmeldungen in Rotenburg ein. (Zitat aus: 100 Jahre Rotenburger Anstalten 1880–1980)
In Rotenburg beginnt eine öffentliche Diskussion um die Frage, ob die nach Pastor Buhrfeind benannte Straße, das Buhrfeind-Haus in der Elise-Averdieck-Straße und der dortige Buhrfeind-Saal umbenannt werden sollen. Die Leitungen von Diakonissen-Mutterhaus und Rotenburger Werken sprechen sich nach intensiver Diskussion dafür aus, keine Namensänderung vorzunehmen. Stattdessen entscheiden sie sich dafür, weitere Recherchen zu veranlassen. Die Ergebnisse sollen öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Die schmerzhaften Aspekte der Geschichte der Einrichtung sollen nicht verschwiegen oder geglättet, sondern offengelegt werden.
Das Diakonissen-Mutterhaus beauftragt den Historiker Dr. Uwe Kaminsky damit, insbesondere die Rolle der Vorsteher anhand der Archivüberlieferung zu erforschen. 2017 erscheint die von ihm erarbeitete Veröffentlichung mit dem Titel „Über Leben in der christlichen Kolonie. Das Diakonissen-Mutterhaus Rotenburg, die Rotenburger Anstalten der Inneren Mission und die Rolle ihrer Vorsteher 1905–1955“.
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